Am 05. Juni 2013 wurde der erst 18-jährige Antifaschist Clément Méric von einem Mitglied der neonazistischen Gruppe „Troisème Voie“ auf offener Straße erschlagen. Seitdem veranstalten Freund*innen, Genoss*innen, Angehörige und weitere Aktivist*innen jedes Jahr eine Gedenkdemonstration, um an den Mord zu erinnern und durch das Aufgreifen aktueller politischer Themen an seinen und unseren Kampf anzuknüpfen.
Wir zeigen zwei Tage vorher den Film „Une vie de lutte“ in unserer offenen AntifaKneipe ConnAct! im AZ. Anschließend diskutieren wir mit Antifaschist*innne über die aktuelle Lage in Frankreich und speziell Paris.
Kommt vorbei! 2.6. // 19 Uhr // AZ Köln
Die Genoss*innen der NEA & Left Report haben den Aufruf zur Demonstration in Paris ins deutsche übersetzt.
Aufruf der Pariser Genoss*innen
Drei Jahre danach und wir geben nicht auf!
Vor drei Jahren wurde unser Genosse Clément Méric, militanter Syndikalist und Antifaschist, am 5. Juni 2013 von einer Gruppe Neonazis des „Troisième Voie“ (Dritter Weg) umgebracht. In den Medien und mehrheitspolitischen Diskursen wird sein Tod seitdem als Zwischenfall nach einer Prügelei zwischen Banden dargestellt und somit als zufälliges Ereignis heruntergespielt, wobei der Umstand geleugnet wird, dass die Tat das Ergebnis der Verbreitung extrem rechter Idelogien in weiten Teilen der französischen Gesellschaft ist. Aktionen von neofaschistischen Gruppen geschehen vor aller Augen, offen rassistische und sexistische Ansichten sind Normalität geworden – alles Anzeichen der Etablierung eines autoritären, sexistischen, rassistischen und antisozialen Systems.
Die Attentate im Januar und November haben den Beginn einer Militarisierung der Sicherheitskräfte und der Polizei eingeleitet. Der Ausnahmezustand, unter dem wir nun dauerhaft leben müssen, bedeutet vor allem 3379 Hausdurchsuchungen unter dem Vorwand des Terrorismus, die in gerade einmal 6 Gerichtsverfahren mündeten. Muslim_innen oder die, die dafür gehalten werden, werden pauschal als „potentielle terroristische Gefahr“ angesehen und sind in kurzer Zeit zur Zielscheibe reißerischer, rassistischer Politik geworden, die die Bevölkerung in Sicherheit wiegen soll. Diese Denkweise zerstört tausende Leben. Hausdurchsuchungen und demütigende Zuschreibungen stellen physische und psychische Gewalt dar. Die jüngsten Debatten über den Verlust der Staatsbürgerschaft waren in Wahrheit nichts anderes als eine weitere Gelegenheit für die Politik, sich mit rassistischen Parolen gegenseitig zu überbieten. Dadurch versucht sich die Regierung von jeglicher Verantwortung für ihr Versagen in der inneren Sicherheit reinzuwaschen und hat ganze Familien für ihre Inkompetenz bezahlen lassen.
Die antimuslimischen Vorstöße haben Tür und Tor dafür geöffnet, jegliche Meinung zu unterdrücken, die der Regierung widerspricht. Die Entfesselung der Polizeigewalt am Vorabend des Klimagipfels COP21 zeigt dies deutlich. Die Militarisierung des öffentlichen Raumes ist kein Hirngespinst mehr, sondern alltägliche Realität. Die Politik der Repression gegen jegliche Form von Protest aus der Bevölkerung, die systematischen Freisprüche in Gerichtsverfahren bei von der Polizei verübten Straftaten, bis hin zur Willkür und Brutalität gegen die schwachen Teile der Gesellschaft unter dem Deckmantel des Ausnahmezustands, und die Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivist_innen der BDS-Kampagne – das ist nichts anderes als der öffentliche, unmaskierte Ausdruck des Rassismus, der an allen französischen Institutionen und der Verwaltung nagt. Alle diese Vorgänge sollen uns dazu bringen, Polizeigewalt als normalen Umgang mit der Bevölkerung hinzunehmen.
Darüber hinaus ist die „Flüchtlingskrise“ nur ein weiteres Anzeichen für die Festung Europa, die längst akzeptiert hat, dass das Mittelmeer ein riesiger Seefriedhof geworden ist für die Opfer von Kapitalismus und Krieg, für die dieses Europa selbst verantwortlich ist, von Mali bis Syrien. Während die Globalisierung den freien Verkehr von Waren und Geldflüssen erlaubt, sollen die Menschen an den Mauern stehen bleiben oder eingeschlossen in Lagern oder Gefängnissen ausharren. Europa hat sich eine Festung gebaut, die letztlich die Lager sogar durch Feuer zerstören will, sei es an den Grenzen, in Calais, oder in den Pariser Bezirken in La Chapelle, Stalingrad oder Gare d’Austerlitz.
Die Zunahme rassistischer Angriffe bestätigt leider nur, was manche seit einigen Jahren vorhergesehen haben: den Sieg der Ideologie und Politik der extremen Rechten. Die Etablierung fremdenfeindlicher Politik in den Regierungen ist keine Ausnahme mehr, sondern wird zur Regel in Europa.
Die Mobilisierungen gegen die Verschärfung des Arbeitsrechts zeigen den Überdruss gegenüber dem planmäßigen Abbau sozialer Errungenschaften und der Armut als gesellschaftlicher Norm. Sie sind die Antwort an diejenigen, die denken, dass Resignation und Vereinzelung gewonnen hätten. Die Polizeigewalt und Repression gegen diese Mobilisierungen bringen eine Praxis ans Tageslicht, die in den Banlieues regelmäßig vorkommt, aber im Rest der Gesellschaft bisher Tabu war. Je mehr sich die soziale Lage verschärft, desto mehr wird die Polizeigewalt zunehmen. Der Sicherheitswahn und Rassismus dieser Politik, mit der die Regierung unsere Gesellschaft regiert, richten sich gegen die sozialen Kämpfe, die Armut und die soziale Unsicherheit.
Weil wir weder das Lächeln noch den Kampf unseres Genossen vergessen haben, weil wir die Skrupellosigkeit der Faschisten, die ihn umgebracht haben, nicht vergeben, weil wir nicht vorhaben, die Erinnerung an ihn in die Hände der Richter_innen und Journalist_innen im kommenden Gerichtsprozess abzugeben, rufen wir zur antifaschistischen Demonstration am Samstag, 4. Juni 2016 um 14h an der Metrostation Stalingrad auf.
Gegen Repression, Rassismus und rechte Gewalt: autodéfense populaire!