Nicht mit unserer Stimme, nicht in unserem Sinne

Wir dokumentieren den Redebeitrag der Gruppe denk.radikal.feministisch vom 07. Januar 2017.

Die Kölner Silvesternacht 2015 markiert für uns im negativen Sinne die öffentlichen Diskussionen um Rassismus und Sexismus. Unglaubliche Scheinheiligkeit und patriarchales Machtbewusstsein schlägt uns bei der medialen und politischen Bearbeitung der sexualisierten Gewalt des Silvesterabends entgegen in: Politiker-reden, Polizeistatements, Artikeln, Kommentaren. In dieser Tradition stand auch die vergangene Silvesternacht. Junge Männer wurden nur anhand rassistischer Zuschreibungen als potentielle Täter klassifiziert und sortiert, in einem Polizeikessel geschickt, dort festgehalten, zurück in den Zug gesetzt oder anders daran gehindert, an ihren Zielort zu gelangen. Das nennt mensch racial profiling, rassistische Kontrollen. Wir sind mit einem politischen Problem konfrontiert, dass nicht polizeilich geregelt werden kann. Und hier werden heute Vertreter*innen der Parteien Grüne und SPD sprechen, die für diese Politik verantwortlich sind. Das Problem sind nicht nur AFD und andere neonazistische Parteien und Gruppierungen, sondern die bürgerlichen Parteien, die den rechten Rand bedienen und das rassistische Klima mit anheizen.
Silvester geht es nicht um sexualisierte Gewalt, es geht um Rassismus: betroffenen Frauen vom 31.12.15 werden für eine rassistische Kampagne benutzt: nicht der Sexismus ist das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten, die Eingewanderten. Wir als FrauenLesben werden mit unserer Gewalterfahrung benutzt, um Rassismus, zu stärken. Ein Rassismus der alltäglicher wird und immer öfter tödlich ist. Jetzt wird abgeschoben, damit sich angeblich unsere Sicherheit erhöht. Das ist lächerlich: wir sind weiterhin, wie immer, sexualisierter Gewalt ausgesetzt und sie wird zunehmen, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse sich brutalisieren und für Männer stereotype maskuline gewalttätige Rollen angeboten und reproduziert werden. Und das nicht nur in rechten Kreisen, sondern gesamtgesellschaftlich.
Es werden alte koloniale Bilder bemüht von „der schwarze Mann vergewaltigt die weiße Frau“. Auch das ist lächerlich! Migrantinnen, Frauen mit Behinderungen und Prostituierte sind am stärksten von sexualisierter Gewalt betroffen!

Gewalt gegen Frauen* findet statt, vergewaltigende Männer sind vergewaltigende Männer, egal wo. Alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau vergewaltigt und zwar zu 90% von Männern aus ihrem nahen Umfeld. Dabei sind die sexualisierten Übergriffe noch nicht mitgezählt.

Sexualisierte Gewalt ist Teil der herrschenden Verhältnisse, Teil des Neoliberalismus, Teil des Rassismus und Kapitalismus. Frau* kann die Gewalterfahrungen in Familie, Bekanntenkreis, Beziehungen, am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum als Kriegserklärung begreifen.

Die patriarchale Macht hält sich u.a. mittels Krieg über Wasser. Kriege unterschiedlicher Intensität. Offen militärische Kriege in Afghanistan, Syrien, Mali, Jemen, Kurdistan finden statt mit Beteiligung der Bundeswehr – und ein Widerstand ist wenig sichtbar. Diese Kriege zertrümmern soziale Strukturen, Strukturen, in denen Frauen sich einen Raum an gesellschaftlicher Teilhabe erobert haben, brechen weg. Marodierende Männerbanden brutalisieren den Alltag und verhindern die Teilhabe der Frauen und Mädchen am öffentlichen Leben, sie gehen nicht mehr auf die Strasse, nicht in die Schule etc. Der Krieg des „demokratischen“ Westens intensiviert und zementiert diesen Ausschluss. Die Gewalt globalisiert sich, sie kommt zurück, mit deutschen traumatisierten gewalttätigen Soldaten, mit den geflüchteten Männern aus den Kriegsgebieten. Kein kriegsführender Staat übernimmt dafür die Verantwortung – alles dient der Logik patriachalen Machterhalts und Erschließung neuer Märkte.
Der militärsich-industrielle Komplex nimmt weltweit an Bedeutung zu, Männergewalt wird darin gefördert als Soldat, als Privatarmist, als private Sicherheitskraft, als Polizist. Der Ausnahmezustand regiert in vielen Staaten des Westens. Wir wissen, dass damit eine Verrohung ziviler Strukturen einhergeht und die Gewalt an Frauenlesben zunimmt.
Gewalt wird permanent reproduziert, in den Kriegen, im Alltag, in der patriachalen Familienstruktur, in der Heteronormativität.

Wir erinnern uns, dass unter einer rot-grünen Regierung der erste Angriffskrieg der Bundesrepublik ausgegangen ist. Und, dass die Rüstungsexporte im letzten Jahr, die von einem SPD geführten Ministerium genehmigt wurden, weiter steigen.

Sexualisierte Gewalt gehört zum Spaßprogramm der Männerwelt, werden verharmlost und in Vergewaltigungsprozessen werden die Frauen oft gedemütigt.

Schließen wir uns als Frauen Lesben Queers und Transgenders und anderen zusammen, die eine feministische Idee verbindet, die mit dem gewalttätigen Patriarchat bricht, die Kapitalismus, Sexismus, Rassismus, Ausgrenzung, Krieg und Ausbeutung hinter sich lässt und ein würdiges Leben ermöglicht.

Refugees welcome
Frauen schlagt zurück

Ziehen wir Politiker, Medien und Männer zur Verantwortung.
Und auch Du Genosse krieg Deinen Arsch hoch.

denk.radikal.feministisch, Köln 2017