Auch wir unterstüzen den folgenden Aufruf:
Für den 12. September 2015 planen Nazis, Rechtspopulisten und rechte Hooligans einen „Tag der deutschen Patrioten“, zu dem sie bundesweit nach Hamburg mobilisieren. Damit knüpfen sie an die rassistischen Aufmärsche der vergangenen Monate von HoGeSa und Pegida an und wollen auch hier ihre rassistische und nationalistische Hetze auf die Straße tragen. Doch wir sagen gemeinsam mit vielen antifaschistischen Kräften: No Pasaran – sie kommen nicht durch!
Wer steckt dahinter?
Bei den Veranstaltern des Aufmarschs handelt es sich um einen Zusammenschluss von Einzelpersonen, die sich teilweise zuvor an der bereits in der Planungsphase gescheiterten Pegida-Demonstration in Hamburg versuchten. Anders als damals scheinen sie es diesmal ernst zu meinen. Als Redner*innen sind nach bisherigen Kenntnissen der Pro-NRW-Politiker Dominic Roeseler, HoGeSa-Anhänger Edwin Wagensveld und die AfD-Politikerin Karina Weber angekündigt.
Als zentraler Organisator und Anmelder tritt Thorsten de Vries auf, der seit etwa 20 Jahren in der Naziszene aktiv ist und über gute Kontakte ins Rotlichtmilieu verfügt. Bis 2007 war de Vries mit Thomas Wulff und Jürgen Rieger Teil des Landesvorstands der NPD Hamburg, bevor er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Anschließend betrieb er gemeinsam mit dem Hamburger Torben Klebe den Naziladen „East Coast Corner“ in Rostock, der durch antifaschistische Aktionen geschlossen werden konnte. Zuletzt trat de Vries 2013 als Teilnehmer des „Stammtisch Hamburg“ - einem Vernetzungstreffen lokaler Nazis – und 2014 als Redner auf der HoGeSa-Demonstration in Köln in Erscheinung.
Trotz zeitweiligen Zerwürfnissen zwischen de Vries, der NPD und Teilen der Kameradschaften, ist davon auszugehen, dass sich Nazis partei- und gruppenübergreifend an dem Aufmarsch beteiligen werden. Der Großteil der Teilnehmenden dürften allerdings rechte Hooligans und unorganisierte Rassisten aus dem gesamten Bundesgebiet sein, da die organisierte Naziszene in Hamburg vergleichsweise schwach aufgestellt ist.
Ich bin kein Nazi, aber…
Ob es mit dem Aufmarsch am 12. September gelingt, verschiedene rechte Spektren zusammenzubringen, wie bei Pegida-Demonstrationen in anderen Städten, wird sich zeigen. Es ist offensichtlich, dass die Veranstalter auf den Schulterschluss zur Neuen Rechten setzen. Neben der Auswahl der Redner*innen deutet auch das gewählte Motto darauf hin. Mit dem Begriff des Patriotismus – dem nicht sofort das NS-Image anhaftet – versuchen sie gezielt an rechte Tendenzen in Teilen der Gesellschaft anzuknüpfen und suchen die politische Anschlussfähigkeit an Formen des Rechtspopulismus.
Mit Pegida und Co., die sich aus einer Mischung von reaktionären Bürgern, Rechtspopulisten und offenen Neonazis zusammensetzen, hat sich eine Sammlungsbewegung von Rechts gebildet. Ihnen ist gelungen woran HoGeSa zuvor gescheitert war – zu sehr hatte bei ihnen das Bild von Nazis und stumpfer Gewalt dominiert. Bei Pegida kommt es zu einem – nicht immer widerspruchsfreien – Zusammengehen verschiedener rechter Kräfte. Völkisch-nationalistische Elemente treffen auf eine modernisierte nationale Identität, die sich eher als Wertegemeinschaft begriffen wissen will und insbesondere von der Neuen Rechten propagiert wird. Auch an anderer Stelle, beispielsweise bei den homophoben und sexistischen „Besorgte Eltern“-Demonstrationen, kommen regelmäßig christliche Fundamentalist*innen, Neue Rechte und Nazis zusammen, um ihr patriarchales Geschlechterverständnis zur Schau zu tragen. Die meisten Protagonist*innen scheinen das Spannungsverhältnis zwischen faschistischen und rechtspopulistischen Anschauungen gut auszuhalten – zu groß ist die gemeinsame Schnittmenge. Unabhängig davon, wie sie sich selbst definieren, verdeutlichen ihre Positionen die Verankerung reaktionärer und rassistischer Einstellungen in der Gesellschaft, die sich in unterschiedlicher Form zu entladen drohen.
Dass sich gerade heute in Freital, Tröglitz oder Meißen offener Rassismus Bahn bricht, es zu Brandanschlägen auf Unterkünfte von Flüchtlingen kommt und mit Pegida eine Art rechte Bürgerbewegung entstand, ist kein Zufall. Die Rechten nehmen die bürgerlichen Debatten aus Politik und Medien auf: Die Warnung vor „Wirtschaftsflüchtlingen“, dem „Ansturm“ auf die europäischen Außengrenzen und angeblichem „Asylmissbrauch“, die in der Öffentlichkeit häufig als Gefährdung des nationalen Standorts und Wohlstands dargestellt werden. Auch die Angst vor dem Islam und die herbeiphantasierte Islamisierung Deutschlands stellen in erster Linie Chiffren für die angebliche Bedrohung durch Migrant*innen insgesamt dar. Der rassistische Mob auf der Straße glaubt, dem vermeintlichen „Volkswillen“ ganz unbürokratisch Ausdruck zu verleihen, weil „die da oben“ ohnehin nichts tun würden. Pegida, HoGeSa, „Nein zum Heim“-Initiativen und die rassistischen Angriffe erfolgen also vor dem Hintergrund einer politischen Stimmungsmache, die bis weit ins bürgerliche Lager hineinreicht oder diesem entspringt.
Von der Alternativlosigkeit der Verhältnisse zum Rechtsruck in Europa
Im Angesicht der Krise haben sich in ganz Europa rechte Bewegungen formiert: Dansk Folkeparti in Dänemark, UKIP in Großbritannien, die FPÖ in Österreich, der Front National in Frankreich oder die AfD in Deutschland sind nur einige Beispiele. Mit unverhohlener Hetze gegen Geflüchtete, Muslime oder Sinti und Roma, Anti-EU-Rhetorik und Nationalismus verkaufen sie sich als Kraft gegen die etablierte Politik und sind damit durchaus erfolgreich. Es gelingt ihnen, konfuse Abstiegsängste bei Teilen der Bevölkerung einzufangen und soziale Konflikte nationalistisch umzudeuten. Alles wird als Gefährdung der „nationalen Interessen“ interpretiert und autoritäre und reaktionäre „Lösungsangebote“ unterbreitet. Dass die beschworenen Szenarien rechter Ideologen in der Regel völlig realitätsfremd bis absurd sind, ändert wenig an ihrer gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit. Sie verschieben die politischen Kräfteverhältnisse weiter nach rechts und verhelfen so auch einer immer menschenverachtenderen Krisen- und Migrationspolitik der EU zur Legitimation.
In Deutschland sind Pegida und AfD die reaktionäre Zuspitzung der herrschenden Diskurse. Für komplexe Fragen bieten sie schlichte Antworten und biologisieren oder ethnisieren die Klassenverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft. Sie machen ohnehin ausgegrenzte bzw. an den Rand gedrängte Gruppen für soziale Probleme im heutigen Kapitalismus verantwortlich. Statt solidarisch die Situation von allen Menschen zu verbessern, wird sich von anderen abgegrenzt, um so – scheinbar – die „eigene“ Position zu sichern. Die reaktionäre Antwort auf die empfundene Machtlosigkeit und Ohnmacht im Kapitalismus ist die Forderung nach exklusiver staatlicher Anerkennung und Aufwertung der eigenen Gruppe. Diese wird völkisch, kulturalistisch oder auch leistungsbezogen begründet. In einer auf Verwertung, Konkurrenz und Leistungszwang begründeten Gesellschaft sind faschistische und rechtspopulistische Kräfte die brutalisierte Fortführung der kapitalistischen Logik. Die rücksichtslose Unterwerfung von allem und jedem unter die angeblichen Sachzwänge der Ökonomie macht diese Gesellschaft so anfällig für autoritäre, rassistische und sozialdarwinistische Positionen.
Internationale Solidarität statt Rassismus und Konkurrenz!
Die antifaschistische Bewegung ist heute gefragt, an mehreren Fronten zugleich einzugreifen. Zum einen müssen die Versuche von (neuen) Rechten, eine Massenbewegung aufzubauen, gestoppt werden. Das gleiche gilt für die Etablierung einer politischen Kraft wie der AfD, die Diskurse weiter nach rechts verschiebt und zunehmend zur parlamentarischen Verlängerung der nationalistischen Bewegungen auf der Straße wird. Zum anderen gilt es der herrschenden Politik, die sich an der Verwertungslogik des Kapitals orientiert, entgegenzutreten und die Kämpfe von Geflüchteten für Bleiberecht, vernünftige Unterbringung und gegen rassistische Ausgrenzung zu unterstützen. Das bedeutet auch, deutlich Position gegen die heutige Kriegspolitik, die Militarisierung der EU-Außengrenzen und einen rassistisch gefärbten Krisendiskurs zu beziehen. Mit einer internationalistischen Praxis, die die politischen und sozialen Kämpfe hier und anderswo aufeinander bezieht und grenzüberschreitende Solidarität übt, lässt sich die nationale Beschränktheit aufbrechen.
Die Pogromstimmung und Brandanschläge der vergangenen Monate machen aber auch klar, dass die Abwehr von Angriffen des rassistischen Mobs akute Aufgabe antifaschistischer Politik bleibt. Nun aber die Bevölkerung in Dörfern und Städten, in denen sich rassistische Anwohner*innen versammeln, kollektiv zur modernen Volksgemeinschaft zu erklären, führt in eine Sackgasse. So nachvollziehbar dieser Impuls gegen die deutsche Realität im ersten Moment sein mag, so fatal sind die politischen Folgen. Wenn es der Linken nicht gelingt vor Ort mit fortschrittlichen Menschen in Kontakt zu kommen, Strukturen aufzubauen und mit emanzipatorischen Inhalten rechten Demagogen das Wasser abzugraben, bleiben die Erfolgsaussichten antifaschistischen Handelns begrenzt.
Auf Dauer gilt es wieder dahin zu kommen, den verschiedenen reaktionären Strömungen den sozialen und politischen Raum in dem sie sich bewegen streitig zu machen. Dort wo die radikale Linke stark ist, können wir frühzeitig dafür sorgen, dass nationalistische und faschistische Entwicklungen gar nicht erst aufkommen. Wenn wir in der Nachbarschaft, im Betrieb oder dem Fußballverein präsent und in sozialen Kämpfen aktiv sind, entziehen wir rechten Ideologien langfristig die Basis. Der Aufbau linker Gegenmacht in allen Bereichen verhindert nicht nur das weitere Umkippen der bürgerlichen Gesellschaft ins Reaktionäre, sie drängt auch die Bedingungen zurück, unter denen Menschen überhaupt erst zu Nazis und Rassisten werden. Solange wir aber soweit noch nicht sind, gilt es jeden öffentlichen Auftritt von Nazis, Nationalisten, Rechtspopulisten und anderen Arschlöchern konsequent zu verhindern.
Dafür werden wir am 12.09. sorgen und den Aufmarsch blockieren, stören und stoppen!