Mit Rassismus gegen Sexismus?

Gegen sexualisierte Gewalt und deren rassistische Instrumentalisierung!

In der Silvesternacht gab es im Bereich des Kölner Hauptbahnhofs massive sexualisierte Übergriffe auf Frauen*. Dies geschah aus einer größeren Gruppe von Männern heraus, mehr als 60 Anzeigen gingen bisher bei der Polizei ein.

Die (mutmaßlichen) Täter wurden von Betroffenen als „nordafrikanisch aussehend“ beschrieben. Diese Verschiebung auf People of Colour als Täter scheint die Empörung über die sexistischen Übergriffe deutlich anzufachen. Nach anderen sexualisierten Übergriffen oder Vergewaltigungen gibt es keinen Aufschrei. Eher noch findet kollektives victim blaming statt: den betroffenen Frauen* wird die Schuld oder zumindest eine Mitverantwortung zugeschrieben.

Empörung gegen sexistische Gewalt finden wir gut! Damit verbundenen Rassismus nicht.

Keine Frage der Polizeipräsenz

Die Vorfälle erhielten viel Raum in der Kölner Lokalpresse. Die sexistische Gewalt spielte dabei jedoch oft nur eine Nebenrolle. Vielmehr ging es um die (vermeintliche) Herkunft der Täter und Fragen der öffentlichen Sicherheit. Damit tragen auch die lokalen Medien zur Verschiebung der Problemlage bei: weg von Sexismus und rape culture hin zu einer rassistisch aufgeladenen Debatte.

Der Kölner Stadtanzeiger (KStA) überschrieb einen Artikel mit „Bundespolizei am Bahnhof nicht mehr Herr der Lage“. Auch in der Silvesternacht sei man unterbesetzt gewesen, heißt es in dem Artikel. Immerhin wird klargestellt, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern nicht um Geflüchtete gehandelt habe. „Die haben nichts mit den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu tun“, so ein Ermittler laut KStA. Nur um dann zu argumentieren, dass aufgrund der Ankunft von Geflüchteten Bundespolizist_innen an den Grenzen oder bei der Registrierung im Einsatz seien und daher vor Ort – also auch an Silvester am Hauptbahnhof – fehlten. Irgendwie sind sie also doch auch schuld…

In den zitierten Aussagen geht es auch nicht um die Frage sexualisierter Gewalt. Es geht um Bandenkriminalität und Polizeimangel.

Dass es solche Übergriffe gibt, liegt nicht an der zu geringen Anzahl von Polizei vor Ort. Dass es sie gibt, liegt an den sexistischen und heteronormativen Strukturen unserer Gesellschaft. Von der auch die Polizei Teil ist. Nicht umsonst werden zahlreiche sexualisierte Übergriffe und Vergewaltigungen nicht angezeigt. Zu groß ist die Angst vor der Reaktion des Umfelds, des Täters oder eben auch der ermittelnden Beamt_innen oder die Erwartung eines entsprechenden Gerichtsprozesses. Als die betroffenen Frauen* in der Silvesternacht bei der Polizei Anzeige erstatten wollten, passierte scheinbar auch erstmal das übliche: Zumindest einzelne scheinen nicht ernst genommen worden zu sein, Erfahrungen wurden seitens der Beamt_innen herunterzuspielen versucht.

Auch wenn es außergewöhnlich ist, dass solche sexualisierten Übergriffe in derart organisierter Form und von einer solch großen Gruppe begangen werden, so ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen* in Deutschland an der Tagesordnung. Mehr als jede zweite Frau hat bereits (sexualisierte) Gewalt oder Belästigung erlebt. Die Täter kommen meist aus dem direkten Umfeld, auch Partys und Clubs sind häufiger Ort sexualisierter Übergriffe. An Karneval, auf Oktoberfesten, auf der Dorfkirmes und zu Hause geschehen etliche sexualisierte Übergriffe, diese werden jedoch gerne ausgeblendet, ignoriert oder weggeredet.

Und bei Facebook tobt der Rassismus…

Die Ereignisse der Silvesternacht wurden auch in den sozialen Netzwerken rege diskutiert. Hier äußerte sich der Rassismus teils sehr offen. Aus der Türsteher-Szene heraus gründete sich eine Gruppe, die „die Stadt“ von jenen „reinigen“ möchte, die sie als Täter ausmachen. Innerhalb weniger Stunden wuchs die Gruppe auf über 1.000 Mitglieder. Diese können zu einem Großteil dem Türsteher-, Kampfsport-, Hooligan-Milieu zugeordnet werden, teilweise findet sich auch eindeutige Nazi-Symbolik. „Unsere Frauen“ wollen sie schützen, die Kommentare strotzen teilweise vor Rassismus – ganz davon abgesehen, dass Frauen* als unmündige Opfer erscheinen, für deren Schutz die harten Männer nun sorgen müssen.

Auch pro NRW nimmt das Thema dankbar auf: Für Mittwoch kündigen sie eine Aktion an. Auch ihnen wird es in erster Linie um die (vermeintliche) Herkunft der mutmaßlichen Täter gehen.

Im aktuellen Diskurs geht die Frage sexualisierter Gewalt fast unter. Es findet zumindest teilweise eine Ethnisierung der Täterschaft statt, die Erfahrungen der betroffenen Frauen* werden dafür instrumentalisiert. Für die Forderung nach mehr Polizei, die Verschiebung der Verantwortung für Sexismus auf (vermeintlich) Nicht-Deutsche oder gar als Bühne für eine absurde Melange aus Türsteher-, Hooligan-, Kampfsport und Nazi-Milieu. So können sich auch entsprechende Personen, die ansonsten nicht als Antisexisten bekannt sind und sich auch über sexuelle Ausbeutung von Frauen* bereichern, als Verteidiger von Frauenrechten präsentieren.

Die Gewalt, die Frauen* in der Silvesternacht erfahren haben, wird mehr und mehr zum Anlass, über diesen Umweg Rassismus zu äußern. Und das auch noch vermeintlich legitimiert und für die Rechte von Frauen*. Für uns steht aber fest: Sexismus hat keine Hautfarbe und keine Herkunft! Gegen das Patriarchat, gegen Rassismus!