Niemals geht man so ganz…
Einblick…
Es ist Anfang 2018. Eine völkisch-nationalistische Partei sitzt seit kurzem im Deutschen Bundestag, rassistische Übergriffe sind überall an der Tagesordnung und seit dem G-20 Gipfel hat die staatliche Repression gegen Linke massiv zugenommen. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt löst sich unsere Antifa-Gruppe nach fast 10 Jahren kontinuierlicher Arbeit auf. Wieso ist es dazu gekommen?
Spätestens seit 2015 sind wir Zeug*innen von sich rasant verschiebenden gesellschaftlichen Verhältnissen: Die rassistische Hetze von Pegida und co. auf der Straße, die Gleichsetzung von migrantischen Männern und sexuellen Übergriffen seit der Sylvesternacht in Köln und der Aufstieg der AfD, sowie der damit verbundene gesellschaftliche und parlamentarische Rechtsruck. Die Grenzen des politisch Sag- und Machbaren sind in nur wenigen Jahren so weit nach rechts verschoben worden, wie wir es uns (zumindest in diesem Ausmaß und mit dieser Geschwindigkeit) nicht hätten vorstellen können.
Gleichzeitig stoßen bisherige linke Strategien, wie „Aufklärung betreiben“, Öffentlichkeit schaffen, gesellschaftliche Ausgrenzung oder Verhinderung von Auftritten rechter Akteur_innen, an ihre Grenzen. Diese Entwicklungen haben zum einen (nicht nur) bei uns eine große politische Verunsicherung ausgelöst und zum anderen die Frage nach neuen Analysen, Strategien und Antworten aufgeworfen. Ein antifaschistischer Abwehrkampf allein kann für uns keine ausreichende Antwort der Linken auf den rechten Aufstieg sein.
So wie viele andere Gruppen der (radikalen) Linken haben auch wir viel diskutiert, geplant und versucht, neue Projekte anzugehen – trotzdem haben wir auf wichtige Fragen keine gemeinsamen Antworten gefunden. Das macht uns traurig, denn wir denken immer noch, dass wir als undogmatische Antifagruppe eine politische Lücke in Köln geschlossen und dadurch vieles richtig gemacht haben. Wir waren stets offen für Menschen, die nicht die gesammelten Werke von Marx und Adorno im Regal und die schwarze Regenjacke im Kleiderschrank hatten. Unsere unterschiedliche (politische) Sozialisation haben wir immer als Stärke begriffen. Wir wollten auch immer offen sein für unterschiedliche Bündnispartner*innen, ohne uns dabei inhaltlich zu verbiegen.
Fast zehn Jahre lang haben wir etliche tolle Projekte und Aktionen initiiert und unterstützt, an denen viele Menschen teilnehmen konnten, mit denen wir gemeinsam unseren Protest auf die Straße getragen haben.
Ein Blick zurück…
2008 trafen sich Antifagruppen und Einzelpersonen aus Köln, Leverkusen und Pulheim, um der erstarkenden Neonazi-Szene im Rheinland etwas entgegenzusetzen. Aus der Kampagne „Faschismus ist nicht trendy“ entwickelte sich eine feste Zusammenarbeit. Als AKKU – Antifaschistische Koordination Köln und Umland – blockierten wir kurze Zeit später erfolgreich den „Anti-Islamisierungskongress“ von „Pro Köln“, auch bei anderen Gelegenheiten haben wir versucht, deren Ausbreitung und Verfestigung in der Stadt zu verhindern. In den nächsten Jahren haben wir uns nicht nur in Köln, sondern zum Beispiel auch in Stolberg, Dortmund und Dresden Nazis und Rechtspopulist*innen in den Weg gestellt. Gleichzeitig haben wir uns nie auf den Kampf gegen die extreme Rechte beschränkt. Die Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen und an der europäischen Krisen– und Abschottungspolitik, antirassistische Arbeit zum NSU-Komplex oder der Erhalt linker Freiräume waren genauso Teil unseres Kampfes. Dazu gehörten auch die Demo gegen den Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler, die Gedenkveranstaltungen in der Probsteigasse und die Beteiligung an der Mobilisierung zum „Tag X“ im Münchener NSU-Prozess, Aktionen gegen HoGeSa und die Broschüre über Autonome Nationalisten. Mit Kampagnen wie „Alle für Kalle“, mit einer sartirischen Aktion gegen den FDP-Bundesparteitag oder dem Kampf für den Erhalt des AZs haben wir immer wieder über den „antifaschistischen Tellerrand“ hinausgeschaut.
Das alles wäre nicht ohne die tollen Bündnispartner*innen möglich gewesen, mit denen wir in den verschiedensten Projekten zusammengearbeitet haben. Allen voran natürlich die Menschen von AALEV (unser „U„ im Namen), die nie den Weg nach Köln gescheut haben, wenn es drauf ankam! Aber der Dank gilt auch vielen anderen Antifa-Gruppen in NRW und natürlich unseren Bündnispartner*innen in Köln: Das Bündnis Köln gegen Rechts, die Initiative Keupstraße ist überall, der Antifa AK, die Interventionistische Linke Köln und alle anderen, die uns begleitet und uns bei unseren Aktionen vertraut und unterstützt haben. Bei Antifa-Sommercamps, der Solingen-Gedenkdemo, bei hitzigen Diskussionen in zu engen Räumen, Konzerten, Krawall und Karneval, Parties und vielem mehr.
Ein Blick nach vorn…
Wir haben uns die Entscheidung, uns aufzulösen, nicht leicht gemacht – einigen geht es mit der Entscheidung nicht gut, wir alle blicken mit Wehmut zurück. Wir haben gerungen, aber wir bleiben solidarisch miteinander verbunden und trennen uns sowohl mit Respekt für die unterschiedlichen Positionen der jeweils anderen als auch mit großer Wertschätzung für die gemeinsame Arbeit.
Und wie heißt es so schön? Niemals geht man so ganz….Wir geben nicht auf. Wir orientieren uns einfach nur neu. Der Großteil von AKKU wird auch nach der Auflösung in verschiedenen politischen Zusammenhängen aktiv sein. Ein Teil von uns wird weiterhin auf lokaler Ebene linksradikale antifaschistische Politik machen, ein anderer Teil hat sich entschlossen, sich bundesweiten politischen Organisierungsansätzen anzuschließen.
See you on the street!